Die ERLE e.V.

 für den Erhalt der Lebensqualität im Raum Kisslegg, Bad Wurzach und Leutkirch

Argumente

Ursprünglich stand der Gedanke Pate aus den Reststoffen der Tierhaltung, sprich der Gülle, kleine Güllevergärungsanlagen mit einer max. Leistung von 75 kW el. an die Hofstelle anzukoppeln. In diesen Konstellationen ist der Substratkreislauf auf dem Betrieb gewährleistet. Futter für die Tiere aus den eigen bewirtschafteten Flächen, Güllevergärung zur Energieerzeugung, Gärrest als Dünger wieder auf die hofeigenen bewirtschafteten Flächen, eine überaus sinnvolle Konzeption, die Abwärme der Anlage wird ggf. noch für die Energieversorgung der Hofstelle genutzt. So waren vor allem in den 80er Jahren die Anfänge der privilegierten Biogasanlagen überschaubar in der Größe, im Substratdurchsatz und die Transportwege waren kurz.


Zwischenzeitlich gibt es in Deutschland über 9000 Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von deutlich über 5500 MW. Sie erzeugen unmittelbar Strom zur Einspeisung in das öffentliche Netz, ca. 60 Anlagen davon sind für die Gasaufbereitung und -einspeisung konzipiert. Entstehende Abwärme im Prozess wird bisher teilweise nur unzureichend genutzt. Allein in Baden Württemberg sind es 2022 ungefähr 1000 Anlagen mit einer Leistung von ca. 399 MW (Stand 2016, Quelle: Fachverband für Biogas e.V. von 10/2017).

Im Landkreis Ravensburg existierten 2012 noch 97 Biogasanlagen mit einer elektrischer Leistung von 25,2 MW.  Von den 97 Anlagen des Landkreises gehörten 16 zur Stadt Bad Wurzach, 14 zur Stadt Leutkirch und 9 zur Stadt Kisslegg. 2014 sind es im Landkreis Ravensburg bereits 110 Anlagen. In der Region Kisslegg, Bad Wurzach und Leutkirch befindet sich fast 1/3 der Anlagen des Landkreises Ravensburg. 3 von 4 reinen Speiseresteverwertungsanlagen des Landkreises sind in den Gemeinden Kisslegg und Bad Wurzach zu finden!

Entsorgungsregion für Speisereste und Abfälle

Überlagerte Lebensmittel, Speisereste aus Altenheimen, Kantinen und Gaststätten, tierische Ausscheidungen, Futtermittelabfälle, Fettabfälle aus Schlachthöfen und der Lebensmittelindustrie, Molke, Brauereiabfälle, Schlämme aus Reinigungsprozessen, Marktabfälle etc. werden mit enormen Transportwegen in die Anlage eingebracht. Die Substrate werden mit  LKWs aus dem weiten Umkreis der Entsorgungsanlagen angefahren. Durch den Entsorgungstourismus wird das Umfeld der Anlagen zwangsläufig zur Entsorgungsregion von Abfällen durch die zumeist regionale Ausbringung der Gärreste.

Die angelieferten z.T. verpackten Lebensmittel werden zerkleinert, in großen Gärbehältern (Fermenter) vergoren und dabei im Prozess u.a. Methan zur Energiegewinnung erzeugt. Als Endprodukt verbleiben die Gärreste, welche nach der alten Düngemittelverordnung (DüMV) 0,5 Gewichts% der Trockenmasse an Fremdstoffen z.B. Plastik, Glas, Folien, Metall aus Verpackungen bezogen auf das Trockensubstrat beinhalten dürfen. Das bedeutet pro Tonne Gärsubstrat (trocken) können bis zu 5 kg Fremdstoffe enthalten sein. In Zeiten der Diskussion über Plastik in Ozeanen ist dies ein Skandal. Der Gesetzgeber erlaubt die Entsorgung von Plastik auf unseren Wiesen und Äckern, ohne die Folgen der Anreicherung von Plastik im Boden wirklich zu kennen!

Mit der Düngemittelverordnung von 2015 wurde die 0,5% Regel weiter spezifiziert, vor allem wegen der "erheblichen optischen Beeinträchtigungen", da für den Bürger der Müll auf den Wiesen/ Äckern zu oft sichtbar wurde. Aktuell gelten:

  • ein Grenzwert für nicht abgebaute Kunststoffe (Folien) von 0,1 Gewichts% der Trockenmasse
  • ein Grenzwert für plastisch nicht verformbare Kunststoffe (Hartplastik), Metall oder Glas von 0,4 Gewichts% der Trockenmasse  

Dabei handelt es sich zumeist um Klein- und Kleinstpartikel. Aber: Mikroplastik <2mm im Siebdurchgang wird aber weder nach der aktuellen Düngemittelverordnung (DüMV) noch nach der Bioabfallverordnung (BioAbfV) vom Gesetzgeber in den Grenzwert mit einbezogen - ein schwerwiegende Lücke in der Gesetzgebung!

Über Mikroplastik in Kosmetika und Salz (Fleur de Sel) wurde in der Presse bereits berichtet. Die Folgen von Mikroplastik im menschlichen Körper sind derzeit nahezu unerforscht. Im lang andauernden biologischen Abbauprozess dieser Fremdstoffe könnten chemische Substanzen wie z.B. Weichmacher aus dem Plastik freigesetzt werden und in Boden und Gewässer gelangen. Das im Boden fein zerriebene Mikroplastik könnte langfristig in unser Trinkwasser/ Grundwasser gelangen und letztendlich den Verbraucher erreichen! Enorme Belastung des Grundwassers/ Trinkwasser und der Böden durch Überdüngung und Fremdstoffeintrag sind die Folge. Die Mengenausbringung der Gärreste erfolgt nach eigenen Berechnungen, die Vorgabe der Düngeverordnung (DüV) der Stickstoffbegrenzung von 170 kg/ha pro Jahr für Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft mit Einbezug von Gärresten gilt erst seit dem Jahr 2017. So konnten Landwirte bis zur neuen Düngeverordnung auf den günstigen Dünger der Speiseresteverwerter zurückgreifen ohne dies in ihre eigene Stickstoffbilanz für tierischen Wirtschaftsdünger einberechnen zu müssen. Seit dem Juni 2017 ist die neue Düngeverordnung in Kraft getreten. Jetzt müssen endlich auch Gärreste aus Biogasanlagen einbezogen werden!


 

 

Folgende Beiträge von RegioTV und NDR über das Thema Plastikausbringung in Gärresten betrifft zum wiederholten Mal auch die Wiesen und Äcker unserer Region!

http://www.regio-tv.de/video/380013.html

http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Muell-aus-Biogasanlage-verschmutzt-Schaalseegebiet,umweltverschmutzung106.html













Die Problematik bei der Ausbringung von Fremdstoffen wiederholt sich bei der Entsorgung der Biotonnenabfällen, wie der folgende Beitrag anschaulich zeigt. Beeindruckend sind die vom Gesetzgeber erlaubten Fremdstoffmengen!


http://www.ardmediathek.de/tv/Kontraste/Plastikverseuchter-Kompost-macht-%C3%84cker-z/Das-Erste/Video?documentId=29095128&bcastId=431796


Landschaftsbild

Durch die Vielzahl der Biogasanlagen in manchen Regionen wird das Landschaftsbild teilweise signifikant und nicht unbedingt zum Positiven verändert. Vielerorts sind aus den bäuerlichen Kleinanlagen industrielle Großanlagen entstanden, deren Umland vielen Bürgern als Naherholungsgebiet diente. Viele Spaziergänger, Fahrradfahrer und Reiter stören sich am Aussehen, den Lärm- und Geruchsemissionen der Biogasanlagen.



Gefährdung sensibler Ökosysteme

Abfallentsorgungsbetriebe  mit der Gärresteausbringung in unmittelbarer Nachbarschaft zu Naturschutz- bzw. FFH-Gebieten stellt durch die N und P- Einträge über Wasser (Nitrat) und Luft (Ammoniak) eine potentielle Gefahr für die teilweise sensible Ökosystem dar. 

Über die Gärresteausbringung aus Speiseresten werden Nährstoffberge regional erzeugt, die über sensible Ökosysteme abgebaut werden müssen. Zum Beispiel weisen sensible Hochmoore bereits heute schon Schädigungen wie Verschilfung und Veränderungen des Artenspektrums durch erhöhte Nährstoffeinträge auf. Hochmoortypische Pflanzen verschwinden anstelle von N-Zeigern.

Der Schwellenwert (‚critical load‘) für den Stickstoffeintrag in Hochmoorgebiete  liegt bei 5-10 kg N/ha/Jahr (Bobbink et al. 2002). Da sind die durch die Düngeverordnung 2017 für die Landwirte festgelegten 170 kg N/ha/Jahr aus Wirtschftsdünger tierischer Herkunft im Einzugsgebiet schon großzügig bemessen.


Unser Gründlenried und Obersee sind zum Beispiel landschaftstypische, Allgäuer Naturräume mit seltenen Tier- und Pflanzenarten, die besonders erhaltenswert sind!

Einige typische Arten aus diesen artenreichen und erhaltenswerten Landschafts- und Naturschutzgebieten sind in den nachfolgenden Bildern dargestellt.








                                                                                                                                                                  (Bildmaterial von Dr. J. Bauer)


Immenrieder Ach und Gründlenach sind die Hauptzuflüsse des Gründlenried und des Kißlegger Obersees. Beide Bäche sind umgeben von landwirtschaftlichen Grünland- und Ackerflächen, die z.T. intensiv gedüngt wurden.

Zum Beispiel gilt der Kißlegger Obersee seit 1989 als Sanierungsfall und ist Teil des Oberschwäbischen Seenprogramms des Regierungspräsidium Tübingen. Als Hauptverursacher der Überdüngung des Obersees gilt die Landwirtschaft. Trotz etlicher Maßnahmen im Rahmen des Sanierungsprogrammes (www.seenprogramm.de) verbesserte sich die Gewässerqualität nur langsam. Folgen der Überdüngung waren unter anderem "Algenblüten" durch  Cyanobakterien (Blaualgen), die beim Menschen durch Verschlucken beim Baden Vergiftungserscheinungen oder bei Hautkontakt Hautreaktionen hervorrufen können. Noch im Jahr 2008 gab es eine starke Algenblüte mit Warnhinweisen durch das Landratsamt. Im Jahr 2013 hatte der Obersee den Status "eutrophiert", ist also noch immer überdüngt. Im Jahr 2017 ist der Kißlegger Obersee nur knapp einer Blaualgenblüte entgangen. Entgegen vieler Prognosen hat sich v.a. der Phosphatgehalt im Obersee leider wieder deutlich verschlechtert. Die bisherigen aufwendigen Maßnahmen des Seenprogramms haben leider nicht den erhofften Erfolg gebracht. Der Zustand des Obersees muss aus unserer Sicht als kritisch angesehen werden.

Wiesen als ökologische Wüsten

Um die enormen Mengen an Gärresten abzubauen werden riesige Grünlandflächen benötigt, die regelmäßig gemäht werden müssen. Mit teilweise fünf  Mähschnitten/Jahr und der darauf folgenden Düngung verändert sich langfristig das Artenspektrum der Pflanzen und Bodenorganismen auf vielen unserer Wiesen.

Unsere Befürchtungen sind, dass sich Monokulturen, wie man sie bislang nur von den Maisäckern kennt, sich auch im Grünlandbereich wiederholen. Nur wenige Gräser wie etwa die Weidelgräser sind noch konkurrenzfähig und überleben. Diese Pflanzen werden verstärkt im Grünland an häufig gemähten, intensiv bewirtschafteten Flächen als N-Fixierer eingesetzt, um die riesigen Nährstoffberge abzubauen. 

Mit der Artenarmut bei den Pflanzen wird sich auch die Artenvielfalt der im Boden lebenden Organismen verändern, die eine wichtige Rolle für den Bodenaufbau und die Durchlüftung des Bodens spielen. Immer weniger Pflanzen kommen noch zur Blüte, da die kurzen Mähintervalle dies verhindern. Selbst der Löwenzahn kommt auf manchen Wiesen immer weniger zur Blüte, da schon frühzeitig der erste Schnitt erfolgt. Bienen und andere Insekten mit bestäubungsbiologischer Funktion finden deshalb immer weniger Nahrung auf unseren Wiesen.

Werden unsere Wiesen langfristig zu einer ökologischen Wüste?

                                

Negative Einflüsse auf Grund- und Trinkwasserqualität

In Deutschland werden 74% des Trinkwassers aus dem Grundwasser entnommen. Es gilt dabei für das Trinkwasser ein Nitratgrenzwert von 50mg Nitrat/l Wasser (TrinkwV 2001). Um die Trinkwasserqualität zu gewährleisten existiert ein Netz aus 1093 Meßstellen (EUA-Meßnetz). Davon waren 2014 36,9% der Meßstellen deutlich bis stark belastet, 18,4% der Meßstellen sind 2014 sogar sehr stark Nitrat-belastet mit >50mg Nitrat/l Wasser (Quelle: Umweltbundesamt). Mittlerweile hat die EU wegen der hohen Nitratwerte gegen Deutschland ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet. Eine Folge des drohenden Verfahrend war die neue Düngeverordnung, die im Juni 2017 in Kraft trat.

 












Auch unsere Region war schon von hohen Nitratwerten betroffen!

Im Arnacher Grubenwald hatten sich die Nitratwerte im Trinkwasser bis 2010 deutlich verschlechtert. Infolgedessen wurde der Grubenwald 2010 zum Grundwasserschutzgebiet erklärt. Als Verursacher der hohen N-Einträge wurde in der damaligen Presse v.a. die umliegende Landwirtschaft genannt. Allerdings sind die genauen Grundwasserverläufe im Allgäu teilweise schwer nachvollziehbar.


In Zeiten zunehmender Diskussionen über die Verschlechterung der Grund- und Trinkwasserqualität durch Nitrat ist mit einer übermäßigen Gärresteausbringung kaum eine Verbesserung der Wasserqualität bzw. des Trinkwassers zu erwarten. Im Zuge der Novellierung der Düngeverordnung 2015, die aufgrund einer unzureichenden Umsetzung der Nitratrichtlinie der EU zustande kommt, halten wir einen moderaten Umgang mit stickstoffreichen, organischen Düngemitteln unabdingbar für einen Erhalt bzw. eine Verbesserung der Wasserqualität.

Natürlich liegt die Düngung letztendlich im Ermessen eines jeden einzelnen Landwirtes. Die Konzentration riesiger Mengen günstiger, phosphatreicher Gärreste aus Speiseresten in den Fermentern der Entsorgungsbetriebe unserer Region unterstützt einen moderaten Umgang mit Düngemitteln in unseren Augen aber nicht. So wird ein gewaltiger nitrat- und phosphatreicher Nährstoffberg überregional angeliefert, aber dann zumeist regional bzw. lokal ausgebracht!

Die nachfolgenden Beiträge befassen sich mit den negativen Folgen intensiver Landwirtschaft auf unser Trinkwasser:









Zerstörung der Infrastruktur

Zur Erhaltung unseres Straßennetzes werden von Bund, Land und Gemeinden viele Mrd. von Euro investiert. Kleine Gemeindeverbindungsstrassen sind dem Schwerlastverkehr zu den Entsorgungsanlagen im Außenbereich oft baulich  nicht gewachsen. 

Risse und Schlaglöcher stellen eine Gefährdung für den öffentlichen Straßenverkehr (Fahrräder und Zweiräder) dar.  



  

Lärm

Es verwundert, dass ein wesentlicher Begleiteffekt beim Betrieb von Anlagen der Speiserestverwertung öffentlich kaum diskutiert wird: Lärm!

Lärm scheint als unvermeidliche Erscheinung akzeptiert zu werden. Dabei kann sich der Mensch nicht an Lärm gewöhnen. Erst recht, wenn Lärm vermeidbar ist, reduziert er die Lebensqualität erheblich.  

Lärm entsteht beispielsweise durch Motorengeräusche der Blockheizkraftwerke, Rührwerke der Gärbehälter und Verkehrsaufkommen bei Anlieferung bzw. Abtransport der Substrate. Selbst auf der Biogasindustrie nahestehen Webseiten[1] wird auf die Lärmproblematik eingegangen. Dabei wird zu allererst auf die richtige Standortwahl hingewiesen. Darüber hinaus wird für die Verwendung geräuscharmer Komponenten und Schallschutzmaßnahmen (Erdwall, Einhausung, Gebäudeanordnung usw.) geworben. Die von jeder Anlage ausgehenden Geräusche (inkl. Fahrverkehr) dürfen an den nächstgelegenen bewohnten Nachbargebäuden im Einwirkungsbereich der Anlage im Mischgebiet tagsüber 60 dB(A) und nachts 45dB(A) nicht überschreiten. Bei Tempo 50 ist ein Lkw im Durchschnitt so laut wie zwanzig Pkw.[2]

Das Bayrische Landesamt für Umwelt veröffentlichte 2014 eine Aufstellung der vielfältigen Folgen von Lärmeinwirkungen abhängig auch von der Einwirkdauer und –häufigkeit:

  • An psychophysischen Auswirkungen werden neben der  Beeinflussung des Stoffwechsels und des Hormonhaushalts außerdem Muskelverspannungen, Stress, Nervosität, Störung der Schlafqualität, Ohnmachtsgefühle sowie eine Beeinträchtigung des Lebensgefühls aufgeführt.
  • Soziale Auswirkungen zeigen sich in einer Veränderung der Nutzung von Wohnräumen, Terrassen, Balkonen und Gärten sowie des Lüftungsverhaltens.
  • Ökonomische Auswirkungen  sind an der Wertminderung von Grundstücken festzustellen.

Lärm / Geräusche werden nicht einheitlich empfunden. So ist eine subjektive Belastung nicht objektivierbar!    




Geruchs- und Abluftemissionen

Das Internet ist voll von Berichten über Gestank, der von sog. Biogasanlagen ausgeht. Gerade die Speiserestverwertung geht mit einer enormen Geruchsbelästigung einher. Von der Anlieferung des Mülls, dessen Lagerung, Weiterverarbeitung und Hygienisierung, über den Vergärungsprozess bis hin zur Gärresteausbringung auf den Wiesen und Äckern gibt es unzählige Quellen der Geruchsfreisetzung und sog. „diffuse“ Verunreinigungen.


Görisch und Helm zeigen eine Reihe von Emissionsquellen beim Betrieb einer Biogasanlage auf. Auch hier wird im Falle der Speiserestverwertung von besonders geruchsintensiven Stoffen gesprochen.

„Beim Betrieb von Biogasanlagen entstehen durch das Inputmaterial grundsätzlich anlagenspezifische Geruchsemissionen. … Die Emissionsgrenzwerte … betragen … für geruchsintensive Stoffe 500 GE /m 3.“[3] Eine einzige GE (Geruchseinheit) meint die Geruchsstoffkonzentration, die im Durchschnitt eine Geruchswahrnehmung auslöst. Insbesondere wahrnehmbare unangenehme Gerüche warnen uns zudem vor stofflichen Gefahren.


Bei der Frage, was bei einer Geruchsbelästigung im Mischgebiet als erheblich anzusehen ist, beziehen sich Blanke, Meier und Evers auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.[4] Dabei sei nach den Grundsätzen der GIRL (Geruchsimmissionsrichtlinie) eine Belästigung als erheblich einzustufen, wenn bereits eine einzige Geruchseinheit (GE) pro m 3 während 10 % der Jahresstunden vorhanden sei.

Zwingend erforderlich ist eine effektive Filteranlage auf jeden Fall, denn beim Zersetzungsprozess warnen Görisch und Helm vor gefährlichen Konzentrationen betriebsbedingter Gase.[5]

  • Methan mit einem Treibhauspotential, das 28mal höher ist als Kohlenstoffdioxid.
  • Kohlenstoffdioxid, das durch Gärprozesse in beträchtlichen Mengen entsteht, Sauerstoff verdrängt und zu einem Großteil für den Treibhauseffekt verantwortlich ist.
  • Schwefelwasserstoff als stark übelriechendes hochgiftiges Gas, das den roten Blutfarbstoff Hämoglobin zerstört und die Atmung lähmt.

 

Es sind jede Menge Geruchsquellen allein im Hallenbetrieb aufgeführt[6], die sämtlich an verschieden Stellen abgesaugt und gefiltert an die Umgebung abgegeben werden. Dass hierbei ein Grenzwert von 500 GE/m 3 gilt, beweist, dass eine Anlage trotz vorgeschriebener Filteranlage nicht frei von Geruchsemissionen betrieben werden kann. Und die alltägliche Praxiserfahrung der umliegenden Anwohner beweist zudem, dass es keine reine Luft gibt.

Nun könnte man sagen: „Auf dem Land riecht’s halt.“ Dass Emissionen aus Biogasanlagen nichts mit „Landluft“ zu tun haben, sieht das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein in seinem Urteil zu Geruchszusatzbelastungen durch Biogasanlagen ebenso. In tatsächlicher Hinsicht sei besonders zu berücksichtigen, „dass Biogas-Anlagen eine Konzentration von großen Mengen Gärsubstrat und Gärresten an einem Standort verursachen, für die es weder in Dorfgebieten, noch im Außenbereich eine charakteristische Vorprägung gibt. Eine solche Dominanz der näheren Umgebung durch Biogas-Anlagen … war nicht voraussehbar und entsprach bis zur Novelle des Erneuerbaren Energiegesetzes (EEG) auch nicht der Üblichkeit des landwirtschaftlichen Strukturwandels. Mithin können die von Biogas-Anlagen verursachten Emissionen nicht nur keine Bestandsschutzerwägungen für sich geltend machen (vgl. Ziffer 5 GIRL), sondern müssen vielmehr … gelten lassen, dass für solche Anlagen gerade keine Vorprägung besteht, weil Geruchsimmissionen durch gewerbliche Anlagen im Außenbereich … vielmehr unüblich sind.[7]


Unkritisch wird immer wieder behauptet, dass die ausgebrachten Gärreste gegenüber der Gülle keine übermäßigen und zusätzlichen Geruchsimmissionen für den Umgebungsbereich der landwirtschaftlichen Flächen verursachen würden.

Anwohner können sich nicht vor Lärm, giftigen Luftemissionen, Gestank und Schwerlastverkehr schützen, deren Wege und Ausbreitung nicht an Gemeindegrenzen halt machen. Hier werden Grenzen überschritten und massiv persönliche Lebensbereiche angegriffen.


Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch lassen sich für jeden Betroffenen Rechtsansprüche ableiten, und zwar auf Unterlassung und Beseitigung der Beeinträchtigung, die sich auf das Grundstückeigentum (§ 1004 BGB) und darüber hinaus auf die Gesundheit (§906 BGB) beziehen. Dieser Unterlassungsanspruch richtet sich direkt auf den Störer. Ergänzend ergibt sich aus dem Grundrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) ein Anspruch auf körperliche Unversehrtheit.[8]



Störfälle und Havarien

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, heißt es. Allerdings nimmt das Risiko großer Störfälle mit steigender Anlagenzahl in Deutschland zu. So besteht die Gefahr von Bränden und Explosionen insbesondere durch eine fehlerhafte Betriebsweise. Besonders gefährlich sind Korrosionsschäden, die auf die Einwirkung von Schwefelwasserstoff zurückzuführen sind. Grundsätzlich besteht in geschlossenen Räumen bei einer Biogasanlage Explosionsgefahr, wenn durch einen technischen Defekt Gas austritt. Diese Gefahr besteht aber auch im Freien, z.B. bei Ablufteinrichtungen, die Gase ins Freie leiten. Da Begleitstoffe der Gärung wie der Schwefelwasserstoff giftig sind, besteht nach einer Stofffreisetzung beim Betreten von Räumen Erstickungsgefahr. In einem Störfall muss davon ausgegangen werden, dass im gesamten Anlagebereich ein zündfähiges Gasgemisch vorhanden sein kann, was zur Folge einen entsprechenden Feuerwehreinsatzplan erforderlich macht.


Die Kommission für Anlagensicherheit (KAS), hat auf einer Fachtagung in Hannover festgestellt, dass in Jahren 2001 bis 2006 bei ca. 80% der 115 geprüften Biogasanlagen „ bedeutsame Mängel „ vorlagen. (Quelle: Berufsverband Rettungsdienst e.V.). So gab die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) in ihrer Broschüre „Biogas Basisdaten Deutschland“ (Stand 2010) an: Pro Jahr ist durchschnittlich mit 1,2 Störfällen je 10 kWel zu rechnen!


Zurzeit vergeht kaum ein Monat ohne Schlagzeile in großen Tageszeitungen und Fernsehen zu großen Störfällen in Biogasanlagen. Ein Blick auf die Deutschlandkarte zeigt, dass Störfälle auch heutzutage nicht selten vorkommen. Die nachfolgende Karte der „Initiativen mit Weitblick“ zeigt nur die großen Störfälle in Biogasanlagen ab dem Jahr 2010, sofern sie den Initiativen mit Weitblick gemeldet wurden. Kleinere Störfälle, wie Kleinbrände mit Feuerwehreinsätzen sind hier nicht abgebildet. Größere Störfälle ereigneten sich auch bei uns in der Region. Im Jahr 2007 explodierte eine Biogasanlage in Daugendorf bei Riedlingen. Im Januar 2010 gab es einen Brand in einer Biogasanlage bei Leutkirch. Erst im März/ April 2015 gab es einen Brand in einer Biogasanlage bei Kempten und in Baindt bei Ravensburg.




Bitte den nachfolgenden Link zur interaktiven Störfallkarte anklicken!

https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=zwpcDuaGUDN4.kdUe6-92SXpQ&hl=de&ie=UTF8&msa=0&z=6


Kartenlegende:

Rot: Verpuffung, Explosion, Feuer

Blau: Schaden durch ausgetretene Stoffe (z.B. Gülle)

Pink ohne Punkt: Verletzte

Pink mit Punkt: Tote

 



Quelle: Initiativen mit Weitblick


Jede Technik birgt natürlich auch Risiken. Auch wenn wir keinen großen Störfall bei den Methangasbetrieben in Rahmhaus heraufbeschwören wollen, hoffen wir, dass unsere einheimischen Feuerwehren, Ärzte und Rettungskräfte dann auf einen Großeinsatz mit Gas- und Fermenterlecks, Explosionen und Großbränden, ausreichend vorbereitet sind. Daneben können die ökologischen Folgen bei Havarien immens sein. Ausgelaufene Gärreste können in Fließgewässer gelangen und große Fischsterben verursachen sowie das gesamte Ökosystem erheblich schädigen. Im nachfolgenden Beitrag des Bayrischen Rundfunk (Oktober 2015) wird zum Sicherheitsrisiko in Biogasanlagen berichtet:


http://blog.br.de/report-muenchen/2015/10793/tote-fluesse-grosse-umweltschaeden-wie-biogasanlagen-zum-sicherheitsrisiko-werden.html



Links zu Störfällen/ Unfällen:



Gesundheitliche Risiken

Es mehren sich Hinweise darauf, dass in Biogasanlagen prozessbedingt Bakterien kultiviert werden, die zu einer Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier werden können. Die Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA) macht in der "Göttinger Erklärung" folgenden Hinweis:


Die Häufung der Erkrankungsfälle von chronischem Botulismus bei Tieren und Menschen zwingt uns Tierärzte, die wegen der intensiven Kontakte zum Patienten-Tier während der klinischen Untersuchungen die ersten sind, die sich mit den Erregern infizieren können, darauf aufmerksam zu machen, dass hier eine ständig wachsende Gefahr für unsere Tierbestände, für die Tierhalter und Betreuer, incl. Tiermediziner und die im Umland der mit Gärresten gedüngten Grünland- und Ackerflächen lebenden Menschen entsteht. Das gesundheitliche Risiko, das von Biogasanlagen ausgeht, muss von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen zur Kenntnis genommen werden. Es besteht unbedingter Handlungsbedarf!"


Selbst wenn das Substrat, das auch Fleischabfälle und Fettabscheiderprodukte beinhalten kann, der Hygienisierung unterzogen wurde, gibt es über das Verhalten der Erreger bei der Behandlung bei 70°C über 1 h keine veröffentlichten wissenschaftlich fundierten Untersuchungen, die bestätigen, dass die ausgebrachten Gärreste hygienisch einwandfrei sind. Sporen der Clostridien überstehen eine thermische Behandlung von 70°C!



[1] Vgl. www.biogas.org

 

[2] Vgl. LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (2004): Lärm bekämpfen - Ruhe schützen. S. 6  

 

[3] Uwe Görisch, Markus Helm (Hrsg.): Biogasanlagen. Ulmer Verlag, 3. völlig neu bearbeitete Auflage (2014). S. 74   

 

[4] Vgl. Blanke, Meier, Evers (Rechtsanwälte/Hrsg.): Leitfaden für Biogasanlagen (Bremen 2006). S. 13

 

[5] Vgl. Uwe Görisch, Markus helm (Hrsg.), a.a.O., S. 74 ff

 

[6] Vgl. Uwe Görisch, Markus helm (Hrsg.), a.a.O., S. 74 ff   

[7] www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de: Urteil: Geruchszusatzbelastungen durch Biogasanlagen. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 2011

[8] Vergl. LUBW Landesanstalt für Umwelt, a.a.O., S. 38